Es heißt, alles ist in Veränderung – immer. Viele Veränderungen bemerken wir allerdings erst beim Betrachten eines längeren Zeitraums.
Das geht mir zum einen bei der Arbeit mit den Dunkelnächten so (ich komme noch darauf zurück, was die Dunkelnächte für mich bedeuten). Und auch, wenn ich in verschiedene Lebensphasen in mein Leben zurückblicke.
Gerade bei meiner Vorstellung von Weihnachten hat sich doch sehr Vieles verändert. Die ganze Weihnachtszeit ist voller Rituale, die uns so oft gar nicht bewusst sind. Ohne darüber nachzudenken, ob es einen tieferen Sinn hat, was und wie wir es tun, machen wir es einfach. Dabei dürfen wir auch danach fragen, ob es für uns selbst Sinn macht – immer noch. Mit diesem Blogbeitrag mag ich euch ein wenig mitnehmen in mein Hin & Her zwischen den Welten, zwischen unserer inzwischen kommerziell doch sehr überfrachteten Weihnachtszeit und der für mich immer wichtiger werdenden Rauhnachtszeit.
Ich beobachte, wie viele wie ferngesteuert in die Geschäfte laufen oder Stunden damit verbringen, online all die angepriesenen Angebote der Black Friday und Black Week durchzuforsten, immer auf der Suche nach dem originellsten Weihnachtsgeschenk. Eine Weihnachtsfeier jagt die andere und von allen Seiten kommen Einladungen auf die unterschiedlichsten Weihnachtsmärkte. Weihnachten ist inzwischen ein gern genommenes Marketingtoll.
Dabei möchte ich Weihnachten nicht missen – doch alles Licht hat auch sein dunkles Gegenstück.
Geht das überhaupt zusammen? Rauhnachtsreise in der Weihnachtszeit? Und beides bewusst erleben?
Ich habe mir mal überlegt, wie sich Weihnachten im Laufe meines Lebens aus meiner Sicht verändert hat.
Einige Erinnerungen kommen direkt aus der Zeit, als ich mit meinen Eltern noch in der Großfamilie auf einem Bauernhof mit Gasthaus gewohnt hatte. Damals kam noch der Nikolaus mit seinem dunklem Gesellen, dem Krampus. Er hatte immer einen Sack dabei, damit er die bösen Kinder mitnehmen konnte, so wurde es mir beigebracht. Wir hörten schon von weitem die Ketten klirren, die der Krampus mit sich hatte. Da hat mich mein Opa schnellsten in einem der Küchenschränke versteckt, damit ich nicht geholt werde. Ich war wohl noch ziemlich klein damals. Ein anderes Mal fand ich eine wunderschöne Puppe einige Zeit vor Weihnachten in unserem Vorrats- und Lagerraum. Ich hatte mich schon gefreut, dass ich so eine schöne Puppe gefunden habe. Doch die sollte für das kleine Mädchen einer Bekannten sein. Das fand ich damals schon ziemlich unfair. Später war sie dann doch unter den Geschenken unterm Christbaum. Die erste Enttäuschung habe ich trotzdem nicht vergessen. Wir waren auch alle Weihnachten auf Tournee. Als ich noch so klein war, war es noch gar nicht so wild, weil wir ja mit allen Verwandten auf Seiten meiner Mama im Haus wohnten. Da fuhren wir nur zur andern Oma – vorbei am Truppenübungsplatz mit all den bunten Lichtern der amerikanischen Soldaten. Damals fand ich das noch faszinierend. Das hat sich auch geändert. Als ich 10 Jahre alt war, sind wir aus dem Bauernhaus in einen anderen Ort in eine Mietswohnung gezogen. Ab da war die Tournee dann in zwei Richtungen – zur einen Oma und dann zur anderen Oma – Plätzchen essen und Geschenke einsammeln.
Was ich mir aus meiner Kindheit behalten habe, ist die Freude am weihnachtlichen Schmücken der Wohnung, viele Kerzen und einige Lichterketten zieren auch meinen Vorgarten. Ich finde es auch heute noch besonders schön, wenn die Menschen gerade in dieser finsteren Zeit ihre Häuser mit Lichtern schmücken. Auf Überraschungen und besondere Geschenke in materieller Form kann ich gut verzichten. Meine schönsten Geschenke sind heute die gemeinsame Zeit mit meiner Familie, Plaudern, Spiele und gutes Essen.
Der erste große Wandel kam in meiner Jugendzeit. Ich habe vieles hinterfragt, was ich in der Kirche vom Pfarrer gehört habe und bekam auf die meisten meiner Fragen keine Antwort außer “das ist halt so” oder “das macht man so”. Das reichte mir nicht als Grund, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen, darum ging ich schon damals stattdessen in der Zeit eine Runde im Wald spazieren. Zu Weihnachten wurde ich quasi gezwungen, mindestens in die Christmette mitzukommen, weil es sonst keine Geschenke gegeben hätte. Dafür gab es nach der Christmette in unserem Ort immer ein Treffen in unserem Jugendheim, wo wir Jungen Leute in der Heiligen Nacht Party feierten.
Als ich dann selbst junge Mama wurde, habe ich noch einmal einen Schwenk in viele Weihnachtstraditionen gemacht, mit meinen Kindern Sterne als Dekoration gebastelt, dem Nikolaus ein Gedicht aufgesagt, Nikolausstiefel befüllt, Weihnachtslieder gesungen, die Kinderchristmette besucht und es gab immer viele Geschenke unter unserem Christbaum. Vor der Bescherung spielten die Kinder mit ihrem Instrumenten, der Geige und dem Saxophon ein Weihnachtslied und danach haben wir gemeinsam die neuen Spiele ausprobiert. Auch war wieder Tournee angesagt und wir fuhren von einer Richtung in die andere, um überall einmal gewesen zu sein und natürlich alle Geschenke, die das Christkind überall verteilt hatte, einzusammeln.
Und wir haben Plätzchen gebacken, Butterplätzchen in allen Variationen mit einer dicken süßen Puderzuckerglasur und vielen bunten Streuseln drauf.
Unter all den Ritualen, die zu Weihnachten gehören, ist das Plätzchen- und Stollenbacken wohl das verbreitetste. Dazu kommen dann noch die unterschiedlichsten Variationen von Glühweinen und Punschgemischen, die zu den Leckereien gereicht werden. Kaum einer kann widerstehen, wenn es so nach Weihnachten duftet – auch ich nicht.
Und auch hier gibt es etwas zum Hinterfragen. Tu ich mir und meinem Körper mit all den süßen Gebäckstückchen und den gesüßten Getränken wirklich Gutes? Seit einigen Jahren faste ich regelmäßig und habe viele Ernährungsgewohnheiten umgestellt. Mein Körper dankt es mir, indem meine chronischen Schmerzen extrem zurückgegangen sind und auch die Symptome der Wechseljahre abgeschwächt sind. Ganz bewusst verzichte ich unter der Zeit, wo es geht auf Zucker und Weißmehl und trinke seltenst Alkohol.
Nachdem ich auf den Genuss der leckeren Plätzchen und das ein oder andere Glas Weihnachtspunsch nicht ganz verzichten möchte, gönne ich mir all das trotzdem und genieße dabei ganz bewusst das Gefühl in eine ganz besondere Zeit einzutauchen. Dafür plane ich schon jetzt die nächste Fastenphase, mit der ich dann wieder bewusst zu meiner neuen gesünderen Ernährungsweise zurückkehre.
So verbindet sich die Weihnachtszeit allmählich mit meiner Rauhnachtsreise, die sich nicht ganz zufällig über die gleiche Zeit erstreckt.
Schon lange, bevor das Christentum Weihnachten eingeführt hat, sind die Menschen in dieser dunklen Zeit zusammengekommen. Sie haben Kerzen angezündet und sich Geschichten erzählt. Durch das baldige Einbrechen der Nacht und ohne die Hilfe von elektrischem Licht, wie wir es heute haben, war auch Zeit für die Menschen, sich zurückzuziehen und über das Jahr, das zu Ende ging, nachzudenken und Samen zu setzen für das neue Jahr.
Genau das machen wir in den Dunkelnächten. Wir gehen ab dem 08.Dezember jeden Tag einen Monat des zu Ende gehenden Jahres durch, spüren noch einmal hinein, wie dieser Monat für uns war. Welche Erfahrungen und Erkenntnisse hat er gebracht? Was hat sich inzwischen daraus entwickelt? Wo war ich besonders selbstwirksam und wo habe ich die Dinge über mich ergehen lassen?
Alle Erkenntnisse nähren meine Wünsche, wie ich mir mein nächstes Jahr am besten vorstelle. Aus all den Dingen die schon gut waren, kann ich mich in eine nächste Entwicklung hineinwünschen. Und auch das, was eher nicht so toll gelaufen ist, bringt Impulse mit. Was wünsche ich mir statt dem, was ich in der Vergangenheit hatte?
Diese 13 Wünsche sind Bestandteil der Wintersonnwend-Feier, in der sie auf 13 Zettel geschrieben werden. Am 21.Dezember endet die dunkelste Zeit des Jahres und das Licht kehrt zurück. Jeden Tag wird es wieder mehr Tageslicht geben und wir bewegen uns langsam rauswärts in das neue Jahr und der lichteren Zeit entgegen. Auch, wenn es noch viele kalte und sogar eisige Tage geben wird, in denen wir uns in warme Kleidung oder Decken kuscheln, öffnen wir uns ganz allmählich. Lange bevor der Heilge Abend mit der Geburt von Jesus Christus als das Licht der Welt gefeiert wurde, haben unsere Vorfahren die Wiederkehr des Lichts gefeiert.
In der Heiligen Nacht – vom 24. auf den 25.Dezember beginnt die erste Rauhnacht. In meiner thematischen Abfolge ist hier das Loslassen des Alten dran. Das Alte meint: die alten Konzepte und Gewohnheiten, die nicht mehr dienlich sind. Nur, wenn wir Altes loslassen, erhalten wir Raum für das Neue, das wir erschaffen möchten.
Zu jeder Rauhnacht gehört auch der auf die Nacht folgende Tag. So ist der 2.Rauhnachtstag der 26.Dezember. für mich ist das Thema “In die Stille gehen” dran. Die ersten Tage der Rauhnächte sind für mich oft noch herausfordernd – nicht wegen der Themen an sich, sondern wegen der vielen Beschäftigungen an den gleichzeitig stattfindenden Weihnachtsfeierlichkeiten und -Familiengewohnheiten. So sehr ich mich freue, dass auch meine längst erwachsenen Kinder an Weihnachten den Weg nach Hause zu mir finden und wir viel Zeit miteinander verbringen können, so eingeschränkt bin ich in meinen Rauhnachts-Ritualen. Doch ein wenig Zeit bleibt immer, um mich den Themen in einer ganz bewussten Zeit nur mit mir alleine zu widmen.
Die weiteren Rauhnachtstage bekommen mehr Aufmerksamkeit und ich kann doch noch richtig satt eintauchen in die Themen “Der Raum der Möglichkeiten” , “Meiner inneren Weisheit vertrauen”, meinem Körper und meinen Gefühlen Aufmerksamkeit und Raum zu schenken, neue Entscheidung zu erspüren und dem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Immer wieder dürfen wir uns in Vergebung üben – vor allem uns selbst gegenüber, denn mit niemandem auf dieser Welt sind wir so streng und unbarmherzig wie mit uns selbst. Wir rüsten uns in den letzten Tagen der Rauhnächte noch mit der Kraft der Achtsamkeit und Dankbarkeit, ehe wir am 05.Januar alles Erlebte integrieren dürfen und “zum Licht erwachen”
Nachdem an jedem der 12 Rauhnachtstage ein Wunschzettel mit dem Feuer ans Universum oder den großen Geist oder was auch immer übergeben wurde, bleibt ein Wunsch über. Diesem darf ich mich ganz gezielt widmen und einen Plan schmieden, wie ich im Kraft geben kann, so dass er sich erfüllen kann.
In der modernen Welt sind inzwischen schon wieder viele eilig gekaufte Weihnachtsgeschenke zurückgegeben und manche wild blinkenden übergroßen aufgeblasenen Rentiere oder Nikoläuse lassen ihre Köpfe hängen und gehen dem Ende ihrer Zeit entgegen. Das meiste, das in der dunklen Adventszeit für Stimmung gesorgt hat – wohlig oder wild – fühlt sich jetzt längst nicht mehr passend bis kitschig an. Wer das schon bedauert, geht nahtlos über in die ersten Faschingsveranstaltungen. Die Schokonikoläuse, die seit Ende August schon in den Läden zu kaufen waren klatschen sich mit den ersten Schoko-Osterhasen ab. Verrückte Welt.
Ich mag kein Spielverderber sein und doch merke ich, wie ich mich allmählich aus Vielem zurückziehe, das für mich keinen Sinn mehr macht. Die Form der gelebten Spiritualität, so wie ich sie inzwischen gewählt habe, fühlt sich immer greifbarer und logischer an, als all die wilden Weihnachtsvariationen, die unsere moderne Welt entwickelt hat.
Ich kehre immer mehr zurück zu meiner Natur, so wie ich schon als Jugendliche den Wald der Sonntagsmesse vorgezogen habe.
Es war schon damals eine gute Zeit im Wald.

